90 Jahre an einem Tag
90. Kirchweihfest und Erntedank
In der Werkstatt hing eine Schaukel, die Christine und ihr älterer Bruder Dietrich gerne benutzt haben. Und so schaukelten sie lustig zwischen Kreuzen, Büsten, Krippenfiguren und Modellen, die ihr Großvater in der Werkstatt stehen hatte. Denn dieser war Schnitzer, Bildhauer … also Künstler. Der Muckefuck im Atelier duftete und der Leimtopf davor stank. Doch an dem musste Klein-Christine vorbei, wenn sie an den leckeren Kaffeeersatz der Kriegs- und Nachkriegsjahre wollte. Zum Glück hatte ihr Opa ein (immer großes und weites) Herz (auch) für seine Enkelin und brachte ihr das Getränk. Total bescheiden und unpolitisch strahlte er immer eine innere Ruhe aus. Er übertrug ihr, wie Frau Hartmann es nannte, Heimatliebe und den Sinn für ein freundliches Miteinander. Frau Christine Hartmann war unser Ehrengast beim Erntedank- und Kirchweihfest: dem 90sten in den Mauern unserer Antonius-Kirche. In einem Grußwort berichtete sie interessant über ihren Großvater, den Künstler Max Bochmann (1877-1955), dem wir mehrere Plastiken im Altarraum zu verdanken haben. Ein Kirchweihfest ist immer Rückblick. Wir ernten das, was unsere Vorfahren gesät und danach gepflegt haben – damals oft unter schweren Bedingungen. Und wir ernten die Früchte des Jahres. Der Erntedankaltar war farbenfroh und prächtig. Ein Brot mit der Aufschrift „Danke“ von unseren „Kirchenbäcker“, war ein Blickfang auf dem Altar der arrangierten Früchte. Für Gemeindefeste aber auch Begegnungsnachmittage mit Flüchtlingen holen wir unsere Brötchen von diesem Bäcker aus Neukirchen. Pater Albert, unser Festprediger, blickte nicht nur zurück sondern formulierte Stärken unserer Gemeinde: die einladende Offenheit für Menschen, das Engagement der Gemeindemitglieder um das, was uns die Generationen vor uns anvertraut haben, die Lebendigkeit im Gemeindeleben. Das waren wohltuende Worte. Sie trafen auf eine Stimmung, die in den letzten Jahren durch (zu) viele Veränderungen teilweise auch gedrückt war, wo die Gemeinde Verlusterfahrungen machen musste, manche Dinge nicht mehr möglich waren und sich die Gemeinde mit aller Kraft und neuen Ideen/Projekten immer wieder gegen Entmutigung stemmen musste.
Doch das Auf und Ab gab es auch früher, wie am Nachmittag Zeitzeugen berichteten. Ein „aus der Zeit gefallener“ Reporter mit vergilbter Zeitung aus dem Jahr 1934 und umgehängter Faltenbalg-Kamera, die mindestens genauso alt war, konnte sich mit vier wunderbaren Zeitzeugen unterhalten, die über wichtige Etappen unserer Gemeindegeschichte fundiert, persönlich, interessant und teilweise mit gereimten Worten sehr unterhaltsam berichten konnten. Herzlichen Dank. Im Publikum saßen auch unsere Brüder und Schwestern der evangelischen Kirche Einsiedel/Reichenhain, die den wunderbaren Tag mit uns gefeiert, ein Grußwort überbracht und sehr leckeren Wein geschenkt haben – ein edler Tropfen, mit dem wir gleich auf die Ökumene anstoßen konnten.
Genauso sonnig, wie das Wetter war der kleine (recht spontan einstudierte) kulturelle Beitrag, was in Antonius alles so los ist. Denn Kultur muss schon sein, besonders in einer Kuturhauptstadt. Und damit das Programm nicht zu „erwachsenen-lastig“ wurde, schloss der wunderbare Tag mit einer Kirchen-Rallye für Kinder und Junggebliebene ab. Kirchenmäuse halfen den Interessierten, die Schätze unserer Kirche zu entdecken. Nicht nur Dinge können Schatz sein, nein auch die Menschen in St. Antonius, die Kirche getragen haben und jetzt tragen, die das Fest so wunderbar gestaltet haben, die aber nicht nur das Fest, sondern treu und engagiert Gemeindeleben gestalten; Menschen, für die wir dankbar sein können, dass es sie gibt. Denn mit Gottes Hilfe, der natürlich Mittelpunkt kirchlichen Lebens ist, können diese Menschen mit ihren Begabungen, Fähigkeiten und ihrer Empathie Kirche zu einem guten Ort machen, jetzt und in Zukunft: damit wir uns noch viele weitere Jahre um diesen Altar versammeln können, unter den Blicken der Bochmannschen Skulpturen, an denen Frau Hartmann als Kind mit ihrem Bruder vorbeigeschaukelt ist.
Unserem langjährigen Pfarrer Pater Bernhard Kuhn, der eigentlich Festprediger sein sollte, wünschen wir auf diesem Wege gute Besserung und freuen uns auf ein Wiedersehen, vielleicht sogar als Festprediger an einem unserer nächsten Kirchweihjubiläen.
Text: Henning Leisterer, Fotos: Beate und Henning Leisterer